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Ein Fußabtreter ist sauberer als ein Gottloser, denn einen Fußab-streifer kann man wenigstens
ausschütteln.«
Es ist schwer, sein Alter auszumachen. Manchmal ist er neunzehn und manchmal neunzig,
aber was spielt d'as für eine Rolle, Zahlen sind Statuen, Erscheinungen einer phänomenalen
Welt. Sie tragen Schleier und verbergen die vielen Wahrheiten, die es gibt. Hier gelten andere
Regeln. Die Sprache Mohammeds ist ein Labyrinth wie die tausen Gassen der Medina -
verlockend, aber gefährlich. Ohne Führer verliert man sich in Andeutungen und falsch
verstandenen Anspielungen. Seine Kultur läßt sich mit unserem begrenzten, rationalen
Denken nicht verstehen. Der einzige Weg hinein ist sich einfühlen, nicht denken, sonst bleibt
man von dem, was man sieht, geblendet und dringt in die tieferen Geheimnisse nicht ein.
Daher wäre es auch töricht, eine Geschichte so zu erzählen, wie sie ist, denn keiner würde sie
glauben und sie wäre ohnehin nur ein Trugbild, ein Schleier, der vorbeiweht. »Eine Zunge
erzählt tausend Wahrheiten, aber ihr wollt immer nur eine sehen.« Mohammed weiß, wovon
er redet. Wie gesagt, er kann nicht lesen und nicht schreiben, aber er kann reden. Seine Stories
führen uns in eine andere Welt, in der Wirklichkeit und Phantasie nicht Gegensätze sind,
sondern eine Einheit bilden. In eine Welt, in der Gastfreundlichkeit Gesetz ist, älter als der
Koran. Paul Bowles, sein väterlicher Freund, der seit fast fünfzig Jahren in Tanger lebt, hat
seine Geschichten auf Band aufgenommern und ins Englische übertragen. Bowles über
Mrabet: »Er stammt aus einer armen Familie im Rif, ich glaube, sie waren vier-undzwanzig
Kinder. Er hatte nie die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, obwohl seine Eltern später
nach Tanger gezogen sind. Dafür lernte er die Suren des Korans. Er war in Amerika, aber es
hat ihm nicht gefallen.« Beide lachen.
Wir sprechen über Medissi, der vor vielen Jahren in Ksar El Kebir Amok lief und Ungläubige
oder Touristen abschlachtete und jetzt in anderer Gestalt wieder im Soc-co Chico sein
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Unwesen treibt, über Sidi Ahmed Meknef-sef, den sagenhaften Teemacher des
»Tausendundeine Nacht«, über schwarze Magie und vergiftete Speisen. Als der Muezzin
draußen in der Dämmerung zum Gebet ruft, mahnend, wachen wir auf aus einem Traum. Wie
in Trance verlassen das Haus und gehen zu Fuß den alten Berg hinunter in die Stadt. Die
Geschäftigkeit der Nacht legt sich sanft über die dunklen Gassen. Wir folgen den Spuren der
Kapuzenmänner ins Ungewisse und ehe wir uns versehen, sind wir selber Teil der Geschichte.
Les Deux Noirs
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Anmerkungen
Das Röhricht
Daß der Ehemann seine Frau nicht aus dem Haus läßt und die Einkäufe selbst besorgt ist noch heute oft zu beobachten.
Mrabets Großvater tötete eine seiner Frauen, weil sie-obwohl vollständig bekleidet-an die offene Haustür gegangen war und
auf die Straße geschaut hatte.
Das Kif-Feld
Dies ist der Kommentar eines Rif-Bewohners über die Charaktereigenschaften seines traditionellen Feindes, des Djibli. Die
gewalttätigsten Auseinandersetzungen in meinem Viertel von Tanger ereignen sich zwischen Großfamilien von Rifis und
Djebala. Auch die Frauen und Kinder beteiligen sich daran. Möbelstücke werden aus Fenstern geschleudert, und Ziegelsteine
prasseln von den Dächern.
Der Doktor aus dem Chemel
Das Wort chemel bedeutet «links», wird aber auch als Bezeichnung für die Himmelsrichtung Osten verwendet. (In Medina
hat man, wenn man sich Mekka zuwendet, den Osten zur Linken.) In Marokko bezieht sich chemel auf das Rif-Gebirge. Ein
Nchaioui ist ein gewöhnlich stark psycho-pathischer Mensch, dessen Abhängigkeit von Cannabis so groß ist, daß er praktisch
den ganzen Tag mit der Zubereitung und dem Verzehr der Droge zubringt. Er gehört zu den gängigsten Figuren im
Repertoire der Geschichtenerzähler und ist wahrscheinlich eine moderne Variante des Abu Nowas aus Tausendundene Nacht,
der von Cannabis nicht genug bekommen konnte und enorme Mengen vertrug. Manchmal wird er auch Hacheichi genannt.
Hassan und die Aghrebia
Aghrebia sind ziemlich harte Plätzchen. Sie sind ein Gebäck wie jedes andere und haben keinerlei sonstige Wirkung. Bei
Hochzeiten oder bei der Namensfeier für ein Kind, das eine Woche alt ist, bekommt üblicherweise jeder Gast eines. Si
Mokhtars Rezept weicht allerdings von dem allgemein verwendeten ab:
Zutaten:
½ Kilo Kharouah-Bohnen
2 Kilo Weizenmehl
5 Eier
½ Pfund grüne getrocknete und in einem
Mörser zerstoßene Mandeln
½ Pfund gehackte Walnüsse
½ Pfund Zucker
½ Pfund ranzige Schafsbutter
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